Stille Heldinnen – Stille Helden
ORTE DER HELFENDEN

1933-1945

Niedersachsen und Bremen

Heinrich Heller

Aktiv an folgenden Orten:

Nahm einen entflohenen Häftling auf

Heinrich Heller (1890–1970) versteckte in den letzten Kriegstagen den entflohenen Häftling Martin Friedländer in seiner Scheune und rettete ihm so das Leben. Viele Jahre später berichtete seine Tochter, Marga Schnehage, im Rahmen eines Schulprojektes über die Ereignisse dieser Tage und dokumentierte somit die Geschichte für die Nachwelt.

Als 1945 die feindliche Front näher rückte und der Einmarsch der Alliierten unmittelbar bevorstand, wurden im ganzen Reich Häftlinge aus zahlreichen Konzentrationslagern zu Fuß oder mit der Bahn „evakuiert“. Sie sollten in frontferne Lager verlegt werden. Die als sogenannte „Todesmärsche“ bekannt gewordenen Räumungsaktionen kosteten unzählige Menschenleben: Die Häftlinge starben auf den chaotischen Irrfahrten und den langen Fußmärschen an Entkräftung und Hunger, wurden zum Teil willkürlich von den SS-Wachen erschossen und blieben während der Bombenangriffe der Alliierten ungeschützt. Um zu verhindern, dass die Häftlinge entkamen und in die Hände der Feinde gerieten, wurden sie gelegentlich sogar in Massenexekutionen kurzerhand ermordet.

An diesen Verbrechen der letzten Kriegstage waren nicht nur die SS, die Polizei oder Wehrmachtsoldaten beteiligt, sondern häufig auch der Volkssturm, die Hitlerjugend oder einfache Zivilisten. Selten wurde Mitgefühl mit den geschundenen Opfern gezeigt, selten Hilfe geleistet. Umso wichtiger ist es, von diesen wenigen Lichtblicken zu berichten.

 

Heinrich Heller (1890–1995) (Privates Foto) © Politik zum Anfassen e.V.

Ehepaar Heller (privates Foto) © Politik zum Anfassen e.V.

 

Heinrich Heller lebte mit seiner Frau Martha und seinen fünf Kindern auf einem Pachthof in Isernhagen, als Anfang April 1945 SS-Männer eine Kolonne von Häftlingen durch den Ort trieben. Die Häftlinge kamen aus dem Lager Mühlenberg in Hannover Oberricklingen und sollten nach Bergen-Belsen gebracht werden. Einem der Häftlinge, dem Berliner Martin Friedländer, gelang es, sich vom Zug zu lösen und hinter einer Linde Deckung zu finden.
Der Dorfbewohner, den Friedländer anschließend zuerst aufsuchte und um Hilfe bat, zog Heinrich Heller zu Rate. Er entschied sich, den entflohenen Häftling erst in einer Dieme zu verstecken und dann heimlich in seiner Scheune unterzubringen. Martin Friedländer blieb bis zur Einnahme des Ortes durch die amerikanischen Truppen ein paar Tage später in der Scheune und kehrte anschließend – nach kurzen Aufenthalten im Lazarett und im Wichernhaus der Pestalozzi-Stiftung – nach Berlin zurück.
Hören Sie, wie sich die Geschichte genau ereignet hat, aus dem Mund der Zeitzeugin und Tochter von Heinrich Heller, Marga Schnehage. Das Interview stammt aus dem Jahr 2009.

 

Helden – Ein Film der Heinrich-Heine-Schule; © Politik zum Anfassen e.V.

 

 

Heinrich Heller lebte mit seiner Frau Martha und seinen fünf Kindern auf einem Pachthof in Isernhagen, als Anfang April 1945 SS-Männer eine Kolonne von Häftlingen durch den Ort trieben. Die Häftlinge kamen aus dem Lager Mühlenberg in Hannover Oberricklingen und sollten nach Bergen-Belsen gebracht werden. Einem der Häftlinge, dem Berliner Martin Friedländer, gelang es, sich vom Zug zu lösen und hinter einer Linde Deckung zu finden.
Der Dorfbewohner, den Friedländer anschließend zuerst aufsuchte und um Hilfe bat, zog Heinrich Heller zu Rate. Er entschied sich, den entflohenen Häftling erst in einer Dieme zu verstecken und dann heimlich in seiner Scheune unterzubringen. Martin Friedländer blieb bis zur Einnahme des Ortes durch die amerikanischen Truppen ein paar Tage später in der Scheune und kehrte anschließend – nach kurzen Aufenthalten im Lazarett und im Wichernhaus der Pestalozzi-Stiftung – nach Berlin zurück.
Hören Sie, wie sich die Geschichte genau ereignet hat, aus dem Mund der Zeitzeugin und Tochter von Heinrich Heller, Marga Schnehage. Das Interview stammt aus dem Jahr 2009.

 

Helden – Ein Film der Heinrich-Heine-Schule; © Politik zum Anfassen e.V.

 

»Hier ist kein Heiliger zu sehen, sondern ein Mensch mit Fehlern und Abgründen. Heinrich Heller war auch NSDAP-Mitglied. Und trotzdem oder gerade deshalb kann er für unsere Schüler Vorbild sein. Du musst eben kein Heiliger sein, um Gutes zu tun. Egal, wie du bist: Du kannst dich immer wieder neu richtig entscheiden.«

Aussage einer Lehrkraft, die am Projekt der Schülerinnen und Schüler beteiligt war.

In der späteren Erinnerung von Henry Korman, der wie Martin Friedländer diesen Todesmarsch überlebte, spielte sich die Geschichte folgendermaßen ab:

„Flüsternd beratschlagten die Häftlinge: Sollen wir abhauen? Wird uns ein Bauer verstecken? Uns versorgen? Und was, wenn er es tut, aber dann kommt seine Frau, und die hat Angst? Schließlich sagte ich: ,Wir gehen weiter‘ […] Ein anderer Jude, Martin F., türmte tatsächlich. Die Wachen feuerten ihm nach; mit einem Steckschuss im Oberschenkel konnte er humpelnd entkommen. Ein Isernhagener Bauer versteckte ihn mehrere Tage lang und brachte ihn dann ins Krankenhaus nach Großburgwedel. Martin F. überlebte.“

(aus: https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Wer-nicht-weiterkonnte-wurde-gnadenlos-erschossen, abgerufen am 09.08.2021).

In der späteren Erinnerung von Henry Korman, der wie Martin Friedländer diesen Todesmarsch überlebte, spielte sich die Geschichte folgendermaßen ab:

„Flüsternd beratschlagten die Häftlinge: Sollen wir abhauen? Wird uns ein Bauer verstecken? Uns versorgen? Und was, wenn er es tut, aber dann kommt seine Frau, und die hat Angst? Schließlich sagte ich: ,Wir gehen weiter‘ […] Ein anderer Jude, Martin F., türmte tatsächlich. Die Wachen feuerten ihm nach; mit einem Steckschuss im Oberschenkel konnte er humpelnd entkommen. Ein Isernhagener Bauer versteckte ihn mehrere Tage lang und brachte ihn dann ins Krankenhaus nach Großburgwedel. Martin F. überlebte.“

(aus: https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Wer-nicht-weiterkonnte-wurde-gnadenlos-erschossen, abgerufen am 09.08.2021).

Der Gerettete

Martin Friedländer wurde 1920 in Posen geboren. Sein Vater war jüdischen Glaubens, seine Mutter war vor ihrer Hochzeit zum Judentum konvertiert. Martin hatte einen Bruder und zwei Schwestern. Die Familie zog 1926 nach Berlin, wo der Vater als Glas- und Krystallhändler arbeitete. Ab 1935 konnte Martin als Jude nicht mehr die Schule besuchen, durfte jedoch eine kaufmännische Lehre absolvieren und arbeitete bis zu seiner Entlassung 1941 in einem Bekleidungsgeschäft. Er wurde gezwungen, den Judenstern zu tragen, und musste in Hennigsdorf im Straßenbau und später im Siemens-Schukert-Werk in Lichtenberg Zwangsarbeit leisten. Seine Leben war zusätzlich bedroht, da er Mitglied einer Widerstandsgruppe war, die u.a. Flugblätter verteilte. Ende 1943 wurde er denunziert und von der Gestapo verhaftet. Es begann ein langer Leidensweg, der ihn über mehrere Stationen in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz brachte. Dort wurde er als politischer Gefangener geführt, erhielt die Häftlingsnummer 179968 und musste Zwangsarbeit an einer Bahnstrecke außerhalb von Krakau leisten. Später wurde er nach Laurahütte, ein Außenlager von Auschwitz, verlegt.

Der Gerettete

Martin Friedländer wurde 1920 in Posen geboren. Sein Vater war jüdischen Glaubens, seine Mutter war vor ihrer Hochzeit zum Judentum konvertiert. Martin hatte einen Bruder und zwei Schwestern. Die Familie zog 1926 nach Berlin, wo der Vater als Glas- und Krystallhändler arbeitete. Ab 1935 konnte Martin als Jude nicht mehr die Schule besuchen, durfte jedoch eine kaufmännische Lehre absolvieren und arbeitete bis zu seiner Entlassung 1941 in einem Bekleidungsgeschäft. Er wurde gezwungen, den Judenstern zu tragen, und musste in Hennigsdorf im Straßenbau und später im Siemens-Schukert-Werk in Lichtenberg Zwangsarbeit leisten. Seine Leben war zusätzlich bedroht, da er Mitglied einer Widerstandsgruppe war, die u.a. Flugblätter verteilte. Ende 1943 wurde er denunziert und von der Gestapo verhaftet. Es begann ein langer Leidensweg, der ihn über mehrere Stationen in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz brachte. Dort wurde er als politischer Gefangener geführt, erhielt die Häftlingsnummer 179968 und musste Zwangsarbeit an einer Bahnstrecke außerhalb von Krakau leisten. Später wurde er nach Laurahütte, ein Außenlager von Auschwitz, verlegt.

Studiofoto von Martin Friedländer aus dem Jahr 1942 (Berlin) – Quelle: https://collections.ushmm.org/search/catalog/pa1184323. © United States Holocaust Memorial Museum

Im Januar 1945, während sich die russische Armee unaufhaltsam näherte, wurde Martin Friedländer zusammen mit tausenden weiteren Häftlingen per Zug nach Mauthausen transportiert. Von dort wurde er weiter nach Neuengamme, dann ins KZ-Gusen, und schließlich nach Hannover verfrachtet, wo er noch einige Tage mit etwa 300 weiteren Häftlingen in der Hanomag-Fabrik arbeitete. Beim entscheidenden Marsch, auf welchem ihm die Flucht gelang, befand er sich auf dem Weg nach Bergen-Belsen.
Martin Friedländer lebte nach dem Krieg zunächst in Ostberlin. Er musste aus politischen Gründen aus der DDR in die Bundesrepublik fliehen. Dort arbeitete er fortan als Versicherungskaufmann. Zeit seines Lebens litt Martin Friedländer an den Folgen der schlechten Haftbedingungen und der Folter. Seine Entschädigungsansprüche und eine 100% Behinderung wurden jedoch erst in den 1990er-Jahren anerkannt. Er starb kurz darauf in Berlin-Wilmersdorf.

Im Januar 1945, während sich die russische Armee unaufhaltsam näherte, wurde Martin Friedländer zusammen mit tausenden weiteren Häftlingen per Zug nach Mauthausen transportiert. Von dort wurde er weiter nach Neuengamme, dann ins KZ-Gusen, und schließlich nach Hannover verfrachtet, wo er noch einige Tage mit etwa 300 weiteren Häftlingen in der Hanomag-Fabrik arbeitete. Beim entscheidenden Marsch, auf welchem ihm die Flucht gelang, befand er sich auf dem Weg nach Bergen-Belsen.
Martin Friedländer lebte nach dem Krieg zunächst in Ostberlin. Er musste aus politischen Gründen aus der DDR in die Bundesrepublik fliehen. Dort arbeitete er fortan als Versicherungskaufmann. Zeit seines Lebens litt Martin Friedländer an den Folgen der schlechten Haftbedingungen und der Folter. Seine Entschädigungsansprüche und eine 100% Behinderung wurden jedoch erst in den 1990er-Jahren anerkannt. Er starb kurz darauf in Berlin-Wilmersdorf.

Martin Friedländer in späteren Jahren – Quelle: https://www.jewish-places.de/ (gemeinfrei)

Seit den 1980er-Jahren trat er regelmäßig als Zeitzeuge in Schulen auf. Für sein Engagement wurde ihm im Juli 1995, kurz vor seinem Tod, vom Berliner Bezirk Wilmersdorf die Bürgermedaille für besondere Verdienste verliehen.

Seit den 1980er-Jahren trat er regelmäßig als Zeitzeuge in Schulen auf. Für sein Engagement wurde ihm im Juli 1995, kurz vor seinem Tod, vom Berliner Bezirk Wilmersdorf die Bürgermedaille für besondere Verdienste verliehen.

Ehrungen für Heinrich Heller

Eine Schule in Isernhagen hat in den Jahren 2009/2010 die Geschichte der Rettung von Martin Friedländer aufgearbeitet und gewürdigt und trägt seitdem den Namen des Bauern, der Menschlichkeit gezeigt und den entflohenen Häftling aufgenommen hat. Sie ist damit eine der wenigen Schulen bundesweit, die mit ihrem Namen an einen Stillen Helden erinnern.

Ehrungen für Heinrich Heller

Eine Schule in Isernhagen hat in den Jahren 2009/2010 die Geschichte der Rettung von Martin Friedländer aufgearbeitet und gewürdigt und trägt seitdem den Namen des Bauern, der Menschlichkeit gezeigt und den entflohenen Häftling aufgenommen hat. Sie ist damit eine der wenigen Schulen bundesweit, die mit ihrem Namen an einen Stillen Helden erinnern.

Wir danken  dem Verein Politik zum Anfassen e.V. für die freundliche Genehmigung der Veröffentlichung der Fotos und des Videos auf dieser Seite.

Wir danken  dem Verein Politik zum Anfassen e.V. für die freundliche Genehmigung der Veröffentlichung der Fotos und des Videos auf dieser Seite.

Quellen

Obenaus, Herbert: Die Räumung der Außenlager des KZ Neuengamme im Raum Hannover (S. 63–74).

https://www.jewish-places.de/de/DE-MUS-975919Z/person_station/c65f6642-38e1-4ae2-ad73-ee00ed596d64/6aa3ead6-7b3c-42cc-82e6-02e070f29c42 (abgerufen am 09.08.2021)

https://collections.ushmm.org/search/catalog/pa1184325 (abgerufen am 09.08.2021)

https://www.youtube.com/watch?v=jvBYnlyohjw (abgerufen am 09.08.2021)

https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Wer-nicht-weiterkonnte-wurde-gnadenlos-erschossen (abgerufen am 09.08.2021)

Bearbeitungsvorschläge

"Hier ist kein Heiliger zu sehen, sondern ein Mensch mit Fehlern und Abgründen. Heinrich Heller war auch NSDAP-Mitglied", so die Aussage einer Lehrkraft, die am Projekt der Schülerinnen und Schüler beteiligt war. Begründen Sie, warum man Heinrich Heller dennoch als Stillen Helden anerkennen kann.

Stellen Sie Überlegungen zu den Gründen an, warum das NSDAP-Mitglied Heinrich Heller trotz Androhung schwerer Strafe dem Juden Martin Friedländer half.

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