Stille Heldinnen – Stille Helden
ORTE DER HELFENDEN

1933-1945

Niedersachsen und Bremen

Grete Reisener

Aktiv an folgenden Orten:

Versteckte ab August 1944 bis Mai 1945 einen Deserteur

In Heinbockel bei Stade überstand in einer kleinen Kammer auf dem Dachboden der Grundschule ein zum Tode verurteilter luxemburgischer Deserteur, Ferdinand Schon, das Ende des Krieges. Er wurde von seiner Frau, die Vertretungslehrerin an der Schule war, und von Grete Reisener, die in der Schule mit ihren Kindern wohnte, versteckt und versorgt.

Die Schule in Heinbockel (o.D.), links im Gebäude befand sich die Lehrerwohnung. Auf dem Dachboden wurde Ferdinand Schon versteckt. (c) Debbie Bülau

Von August 1944 bis April 1945 versteckten Grete Reisener und Gertrud Schon den Ehemann von Gertrud auf dem Dachboden der Schule in Heinbockel, einem kleinen Ort in der Nähe von Stade. Der luxemburgische Staatsbürger Ferdinand Schon sollte zwangsweise zur deutschen Wehrmacht eingezogen werden. Er entzog sich der Einladung und wurde wegen Desertion und Wehrkraftzersetzung (wohl in Abwesenheit) zum Tode verurteilt. Der Ehemann von Frau Reisener, Lehrer an der Schule in Heinbockel, war selbst zur Wehrmacht eingezogen und wurde später als vermisst gemeldet. Frau Schon war als Aushilfslehrerin an der Schule in Heinbockel eingesetzt. Frau Reisener wohnte als Lehrergattin mit ihren drei Kindern in der Anliegerwohnung der Schule.

 

Der historische Hintergrund

Während des Zweiten Weltkrieges wurden Männer aus den annektierten Gebieten Elsass und Lothringen sowie aus Luxemburg von der Wehrmacht zwangsrekrutiert. Die Wehrpflicht wurde in Luxemburg vom Chef der Zivilverwaltung Gustav Simon am 30. August 1942 angekündigt und führte unmittelbar zu einem landesweiten Generalstreik, der jedoch erfolglos blieb, weil die Gestapo und Einsatzkommandos der SS und der Polizei mit Terrormaßnahmen reagierten und durch ihre Übermacht jeden Widerstand schnell erstickten. Der Umstand, dass die Soldaten aus den annektierten Gebieten gegen die eigenen Verbündeten kämpfen sollten, war für die Betroffenen ein Grund, sich diesem Wehrdienst zu verweigern. Darum versuchten viele Luxemburger sich der Rekrutierung heimlich zu entziehen: Sie verließen illegal Luxemburg in Richtung Belgien oder Frankreich, hielten sich versteckt oder ließen sich einziehen, um gleich zu desertieren. Den Verweigerern drohte die Todesstrafe wegen Fahnenflucht und Wehrkraftzersetzung.

 

Von August 1944 bis April 1945 versteckten Grete Reisener und Gertrud Schon den Ehemann von Gertrud auf dem Dachboden der Schule in Heinbockel, einem kleinen Ort in der Nähe von Stade. Der luxemburgische Staatsbürger Ferdinand Schon sollte zwangsweise zur deutschen Wehrmacht eingezogen werden. Er entzog sich der Einladung und wurde wegen Desertion und Wehrkraftzersetzung (wohl in Abwesenheit) zum Tode verurteilt. Der Ehemann von Frau Reisener, Lehrer an der Schule in Heinbockel, war selbst zur Wehrmacht eingezogen und wurde später als vermisst gemeldet. Frau Schon war als Aushilfslehrerin an der Schule in Heinbockel eingesetzt. Frau Reisener wohnte als Lehrergattin mit ihren drei Kindern in der Anliegerwohnung der Schule.

 

Der historische Hintergrund

Während des Zweiten Weltkrieges wurden Männer aus den annektierten Gebieten Elsass und Lothringen sowie aus Luxemburg von der Wehrmacht zwangsrekrutiert. Die Wehrpflicht wurde in Luxemburg vom Chef der Zivilverwaltung Gustav Simon am 30. August 1942 angekündigt und führte unmittelbar zu einem landesweiten Generalstreik, der jedoch erfolglos blieb, weil die Gestapo und Einsatzkommandos der SS und der Polizei mit Terrormaßnahmen reagierten und durch ihre Übermacht jeden Widerstand schnell erstickten. Der Umstand, dass die Soldaten aus den annektierten Gebieten gegen die eigenen Verbündeten kämpfen sollten, war für die Betroffenen ein Grund, sich diesem Wehrdienst zu verweigern. Darum versuchten viele Luxemburger sich der Rekrutierung heimlich zu entziehen: Sie verließen illegal Luxemburg in Richtung Belgien oder Frankreich, hielten sich versteckt oder ließen sich einziehen, um gleich zu desertieren. Den Verweigerern drohte die Todesstrafe wegen Fahnenflucht und Wehrkraftzersetzung.

 

Keine Anerkennung nach 1945

Nach dem Krieg stellte die Witwe Grete Reisener einen Entschädigungsantrag. Sie fügte ihrem Antrag vom 10.10.1947 folgende Begründung hinzu:

„Ich habe vom August 1944 bis zum April 1945 den luxemburgischen Staatsangehörigen Ferdinand Schon, der unter dem Naziregime zum Tode verurteilt worden war, in meinem Hause versteckt gehalten. Da Herr Schon in der Zeit, da er in meinem Hause versteckt war, keine Lebensmittel-Zuteilungen erhalten und auch keine Gelegenheit gehabt hat, sich anderweitig Lebensmittel zu verschaffen, habe ich ihn von den mir und meinen Kindern zur Verfügung stehenden Rationen mitverpflegen müssen.“

Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage wird vom Ehepaar Schon schriftlich bescheinigt:

 

Keine Anerkennung nach 1945

Nach dem Krieg stellte die Witwe Grete Reisener einen Entschädigungsantrag. Sie fügte ihrem Antrag vom 10.10.1947 folgende Begründung hinzu:

„Ich habe vom August 1944 bis zum April 1945 den luxemburgischen Staatsangehörigen Ferdinand Schon, der unter dem Naziregime zum Tode verurteilt worden war, in meinem Hause versteckt gehalten. Da Herr Schon in der Zeit, da er in meinem Hause versteckt war, keine Lebensmittel-Zuteilungen erhalten und auch keine Gelegenheit gehabt hat, sich anderweitig Lebensmittel zu verschaffen, habe ich ihn von den mir und meinen Kindern zur Verfügung stehenden Rationen mitverpflegen müssen.“

Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage wird vom Ehepaar Schon schriftlich bescheinigt:

 

Der Antrag von Frau Reisener wurde abgelehnt, ebenso wie auch ihr weiterer Antrag auf eine Geschädigtenrente, den die Witwe 1952 stellte. So lautet die Begründung des Sonderhilfsausschusses:

Der Antrag von Frau Reisener wurde abgelehnt, ebenso wie auch ihr weiterer Antrag auf eine Geschädigtenrente, den die Witwe 1952 stellte. So lautet die Begründung des Sonderhilfsausschusses:

Nach dem Krieg fiel dem Lokalhistoriker Michael Quelle bei seinen Recherchen im Archiv die Entschädigungsakte in die Hände. Die noch lebenden Kinder der Stillen Heldin waren vom Fund überrascht. Grete Reisener hatte aus Sicherheitsgründen ihren eigenen damals vierzehn, acht und vier Jahre alten Kindern die Existenz des Luxemburgers auf dem Dach verschwiegen. Auf die Frage, ob er jetzt auf seine mutige Mutter stolz sei, antwortet der älteste Sohn heute:

Nach dem Krieg fiel dem Lokalhistoriker Michael Quelle bei seinen Recherchen im Archiv die Entschädigungsakte in die Hände. Die noch lebenden Kinder der Stillen Heldin waren vom Fund überrascht. Grete Reisener hatte aus Sicherheitsgründen ihren eigenen damals vierzehn, acht und vier Jahre alten Kindern die Existenz des Luxemburgers auf dem Dach verschwiegen. Auf die Frage, ob er jetzt auf seine mutige Mutter stolz sei, antwortet der älteste Sohn heute:

»Dass es ihr gelungen war, unter den damaligen Umständen drei Kinder großzuziehen, ohne Vater, und dass wir immer satt geworden sind und vernünftige Berufe erlernt haben, das ist eine große Leistung.«

(Zitat aus dem Stader Tageblatt vom 31.08.2019)

Quellen

Landesarchiv Stade: Antrag auf Geschädigtenrente für die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. Antragstellerin: Grete Reisener, geb. Stölken (geb. 21.07.1904 in Hamburg-Neuenfelde), Hausfrau in Heinbrockel/Kreis Stade

Helfferich, Susanne: Spätes Erinnern an eine Stille Heldin. Artikel im Stader Tageblatt vom 31.08.2019.

Literaturempfehlungen

Desertion ist ein umstrittenes Kapitel des Zweiten Weltkrieges. Sie ist bis heute Gegenstand von Auseinandersetzungen und gegensätzlichen Bewertungen. Bis in die letzten Kriegstage hinein, manchmal sogar darüber hinaus, wurden junge Männer, die sich unerlaubt dem Kriegsdienst entzogen hatten, standesrechtlich verurteilt und hingerichtet. In der deutschen Nachkriegsgesellschaft galten Deserteure als Feiglinge und Verräter an der eigenen Sache. Hilfe für Deserteure wurde daher nur selten dokumentiert, obwohl Wehrmachtssoldaten gelegentlich vom Heimurlaub nicht zurückkehrt sind und für ihr Untertauchen auf die Hilfe der Angehörigen und Freunde angewiesen waren. Erst in den letzten Jahrzehnten wurden Deserteure in der Bundesrepublik als Opfer der Wehrmachtsjustiz angesehen. Zahlreiche Denkmäler für Deserteure zeugen von dieser Veränderung in der öffentlichen Wahrnehmung.

Marco Dräger: Denkmäler für Deserteure. Ein Überblick über ihren Einzug in die Erinnerungskultur. Wiesbaden 2018.

Bearbeitungsvorschläge

Die Geschichte des geretteten (angeblichen) Deserteurs kann zum Anlass genommen werden, frauenspezifische Hilfestellungen zu beurteilen und den Begriff "Stille Heldin" zu erörtern, gegebenenfalls diesen auch kritisch zu hinterfragen. Das Zitat des Sohnes kann als Ausgangspunkt für eine einschlägige Diskussion dienen.

Gebührt den Deserteuren des Zweiten Weltkriegs Ehre? Diese Frage behandelt folgender Unterrichtsvorschlag: Dräger, Marco: Denkmäler für Deserteure? Exemplarische Pro- und Kontra-Diskussion im Unterricht, in: Geschichte lernen, Heft 151 (2013), S. 22−27.

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