Friederich Karl Avenarius
Aktiv an folgenden Orten:
Nutzt als Richter Spielräume
Friedrich Karl Avenarius war Richter am Amtsgericht in Melle bei Osnabrück. Er steht hier als Beispiel für einen Juristen, der während der nationalsozialistischen Diktatur in der Justiz gearbeitet hat und somit eng in die verbrecherische Rechtsprechung verstrickt war. Aber es gibt Anzeichen dafür, dass er trotz seiner Position bemüht war, menschliche und gerechte Urteile zu fällen.
Ein Stiller Held? Recherchieren und urteilen Sie selbst!
Undatiertes Foto von Fritz Avenarius aus dem Meller Kreisblatt vom 10.09.1956
Die Zeit vor 1933
Friedrich Karl (Fritz) Avenarius wurde am 06.01.1900 in Abterode (Kreis Eschwege) geboren. Er besuchte in Kassel das Gymnasium und studierte in Göttingen und Marburg Jura. Sein Referendariat absolvierte er in Berlin, wo er 1925 das Assessorenexamen (= die zweite Staatsprüfung für Juristen) ablegte. Anschließend war er vorübergehend in Emden, Lüneburg, Osnabrück und Einbeck tätig und kam 1928 nach Melle, wo er heiratete und sich dauerhaft niederließ. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, war Fritz Avenarius 33 Jahre alt und stand am Beginn seiner Berufslaufbahn.
Die Zeit vor 1933
Friedrich Karl (Fritz) Avenarius wurde am 06.01.1900 in Abterode (Kreis Eschwege) geboren. Er besuchte in Kassel das Gymnasium und studierte in Göttingen und Marburg Jura. Sein Referendariat absolvierte er in Berlin, wo er 1925 das Assessorenexamen (= die zweite Staatsprüfung für Juristen) ablegte. Anschließend war er vorübergehend in Emden, Lüneburg, Osnabrück und Einbeck tätig und kam 1928 nach Melle, wo er heiratete und sich dauerhaft niederließ. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, war Fritz Avenarius 33 Jahre alt und stand am Beginn seiner Berufslaufbahn.
1933–1945
Ab 1932 war Friedrich Karl Avenarius Amtsgerichtsrat, d.h. Richter am Amtsgericht in Melle/Osnabrück. Am 01.05.1933 trat er zeitgleich in die NSDAP und in die SA ein, wo er den Dienstgrad eines Truppführers innehatte. Die Mitgliedschaft bestand bis zur Auflösung von Partei und SA durch die britische Besatzungsmacht und war ein Hinweis darauf, dass er womöglich ein überzeugter Nationalsozialist gewesen war. Wegen dieser Mitgliedschaften wurde er von der britischen Militärregierung am 14.09.1945 vom Dienst suspendiert.
Avenarius stellt einen Antrag auf Nachprüfung seiner Suspendierung und brachte dafür etliche Zeugen bei. Die Aussagen der Zeugen sind heute noch in der Entnazifizierungsakte nachzulesen. Die Zeugen versicherten, dass Friedrich Karl Avenarius sich immer wieder schützend vor Verfolgte des Regimes gestellt hat.
Hilfe für einen verfolgten Kommunisten:
Herr Kramer, der frühere 1. Vorsitzende der KPD Melle, bezeugte am 13.07.1946:
„Wir erklären an Eides statt, daß der ehemalige Amtsrichter Avenarius, Amtsgericht Melle, uns Ende September 1933 von einer Anklage wegen Fortführung einer illegalen Organisation trotz Einspruchs des damaligen Staatsanwalts aus Osnabrück freigesprochen hat.“
Gerechtigkeit für einen geschlagenen Zwangsarbeiter:
Nach einer Schlägerei zwischen einem tschechischen Zwangsarbeiter und einem SA-Mann verurteilt der Richter Avenarius nicht den Zwangsarbeiter, sondern den prügelnden SA-Mann zu drei Monaten Haft. Die Verurteilung des „SA-Kameraden“ hat ein Nachspiel. Ein „alter Genosse“ aus der SA, inzwischen Polizeipräsident von Stettin und SA-Obergruppenführer, beschwerte sich am 14. Mai 1940 schriftlich über das Urteil:
„[…] ich […] muss jedoch immer wieder betonen, dass im Staate Adolf Hitlers eine volksnahe Rechtspflege erwartet wird, insbesondere heute in der Zeit des schwersten Abwehrkampfes der Nation.“
1933–1945
Ab 1932 war Friedrich Karl Avenarius Amtsgerichtsrat, d.h. Richter am Amtsgericht in Melle/Osnabrück. Am 01.05.1933 trat er zeitgleich in die NSDAP und in die SA ein, wo er den Dienstgrad eines Truppführers innehatte. Die Mitgliedschaft bestand bis zur Auflösung von Partei und SA durch die britische Besatzungsmacht und war ein Hinweis darauf, dass er womöglich ein überzeugter Nationalsozialist gewesen war. Wegen dieser Mitgliedschaften wurde er von der britischen Militärregierung am 14.09.1945 vom Dienst suspendiert.
Avenarius stellt einen Antrag auf Nachprüfung seiner Suspendierung und brachte dafür etliche Zeugen bei. Die Aussagen der Zeugen sind heute noch in der Entnazifizierungsakte nachzulesen. Die Zeugen versicherten, dass Friedrich Karl Avenarius sich immer wieder schützend vor Verfolgte des Regimes gestellt hat.
Hilfe für einen verfolgten Kommunisten:
Herr Kramer, der frühere 1. Vorsitzende der KPD Melle, bezeugte am 13.07.1946:
„Wir erklären an Eides statt, daß der ehemalige Amtsrichter Avenarius, Amtsgericht Melle, uns Ende September 1933 von einer Anklage wegen Fortführung einer illegalen Organisation trotz Einspruchs des damaligen Staatsanwalts aus Osnabrück freigesprochen hat.“
Gerechtigkeit für einen geschlagenen Zwangsarbeiter:
Nach einer Schlägerei zwischen einem tschechischen Zwangsarbeiter und einem SA-Mann verurteilt der Richter Avenarius nicht den Zwangsarbeiter, sondern den prügelnden SA-Mann zu drei Monaten Haft. Die Verurteilung des „SA-Kameraden“ hat ein Nachspiel. Ein „alter Genosse“ aus der SA, inzwischen Polizeipräsident von Stettin und SA-Obergruppenführer, beschwerte sich am 14. Mai 1940 schriftlich über das Urteil:
„[…] ich […] muss jedoch immer wieder betonen, dass im Staate Adolf Hitlers eine volksnahe Rechtspflege erwartet wird, insbesondere heute in der Zeit des schwersten Abwehrkampfes der Nation.“
Beschwerdebrief eines SA-Polizeipräsidenten über die angeblich zu milde Behandlung eines tschechischen Zwangsarbeiters
NLA OS, Rep 980 nr. 24280, S. 24
Schutz für eine Halbjüdin:
Grete Seelhöfer aus Osnabrück sagt am 24. September 1945 Folgendes aus:
„Im Jahre 1944 wurde ich von der Gestapo verhaftet und in Osnabrück wegen meiner Abstammung verhört. Ich erklärte, daß ich nach meiner Ansicht arischer Abstammung sei. Ich wurde wieder freigelassen mit der Auflage, das umgehend nachzuweisen. Da ich außerehelich geboren wurde, boten die Vormundschaftsakten des Amtsgerichts Melle die einzige Möglichkeit der Nachforschung nach meinem Erzeuger. Ich besprach daher die Angelegenheit mit Herrn Amtsgerichtsrat Avenarius. Dieser stellte aus den Akten fest, daß mein Vater ein Jude gewesen sei. Er erklärte mir gleichzeitig, daß er hierüber nach Möglichkeit Stillschweigen bewahren wolle, um mich vor einer Verhaftung zu schützen. Er hat dies offenbar auch getan, denn ich bin hiernach nicht mehr weder verhaftet noch verschickt worden.“
(NLA OS, Rep 980 Nr. 24280, S. 10)
Schutz für eine Halbjüdin:
Grete Seelhöfer aus Osnabrück sagt am 24. September 1945 Folgendes aus:
„Im Jahre 1944 wurde ich von der Gestapo verhaftet und in Osnabrück wegen meiner Abstammung verhört. Ich erklärte, daß ich nach meiner Ansicht arischer Abstammung sei. Ich wurde wieder freigelassen mit der Auflage, das umgehend nachzuweisen. Da ich außerehelich geboren wurde, boten die Vormundschaftsakten des Amtsgerichts Melle die einzige Möglichkeit der Nachforschung nach meinem Erzeuger. Ich besprach daher die Angelegenheit mit Herrn Amtsgerichtsrat Avenarius. Dieser stellte aus den Akten fest, daß mein Vater ein Jude gewesen sei. Er erklärte mir gleichzeitig, daß er hierüber nach Möglichkeit Stillschweigen bewahren wolle, um mich vor einer Verhaftung zu schützen. Er hat dies offenbar auch getan, denn ich bin hiernach nicht mehr weder verhaftet noch verschickt worden.“
(NLA OS, Rep 980 Nr. 24280, S. 10)
Die Zeit nach 1945
Sein Entnazifizierungsantrag wurde abgelehnt und Avenarius zunächst dazu verpflichtet, als Bauarbeiter, später als Maler bei der Besatzungsmacht und schließlich als Bürokraft zu arbeiten. Erst 1949 durfte er wieder seinen Beruf ausüben, in Aurich und Oldenburg und schließlich wieder in Osnabrück. Ab 1955 war er sogar Leiter des Amtsgerichts in Melle. Diese letzte Stellung konnte er nicht mehr lange ausfüllen, weil er schon im nächsten Jahr an den Folgen einer Operation verstarb.
Der Nachruf im Meller Kreisblatt bezeichnet ihn als „einen Leiter, der große menschliche Qualitäten besaß“ und „dessen erstes Anliegen es immer und überall war, allen ein gerechter Richter zu sein.“ Das Lob des Meller Kreisblattes bezog sich auf die Zeit nach 1945, zeichnete jedoch ein überaus positives Bild der Gesamtpersönlichkeit des Verstorbenen: „Jeder Ratsuchende fand bei ihm ein offenes Ohr.“ Über seinen Beruf hinaus war Avenarius im gesellschaftlichen Leben an seinem Wohnort aktiv, unter anderem als Leiter der Waldbühne und als Mitglied des Schützenvereins.
Die Zeit nach 1945
Sein Entnazifizierungsantrag wurde abgelehnt und Avenarius zunächst dazu verpflichtet, als Bauarbeiter, später als Maler bei der Besatzungsmacht und schließlich als Bürokraft zu arbeiten. Erst 1949 durfte er wieder seinen Beruf ausüben, in Aurich und Oldenburg und schließlich wieder in Osnabrück. Ab 1955 war er sogar Leiter des Amtsgerichts in Melle. Diese letzte Stellung konnte er nicht mehr lange ausfüllen, weil er schon im nächsten Jahr an den Folgen einer Operation verstarb.
Der Nachruf im Meller Kreisblatt bezeichnet ihn als „einen Leiter, der große menschliche Qualitäten besaß“ und „dessen erstes Anliegen es immer und überall war, allen ein gerechter Richter zu sein.“ Das Lob des Meller Kreisblattes bezog sich auf die Zeit nach 1945, zeichnete jedoch ein überaus positives Bild der Gesamtpersönlichkeit des Verstorbenen: „Jeder Ratsuchende fand bei ihm ein offenes Ohr.“ Über seinen Beruf hinaus war Avenarius im gesellschaftlichen Leben an seinem Wohnort aktiv, unter anderem als Leiter der Waldbühne und als Mitglied des Schützenvereins.
Quellen
NLA OS, Rep. 980 nr. 24280.
Anonymer Nachruf auf Amtsgerichtsrat Fritz Avenarius im Meller Kreisblatt vom 10.09.1956.
Literaturempfehlungen
Das nationalsozialistische Regime etablierte sich schnell im gesamten Staatsgebiet durch die Gleichschaltung der öffentlichen Stellen. Schon sehr früh erwiesen sich die gesamte Verwaltung, die Polizei und die Justiz als bereitwillige Vollstrecker einer unmenschlichen Politik. Ob man so weit gehen sollte, alle staatlichen Organe dieser Zeit als „verbrecherische Organisationen“ zu bezeichnen, ist umstritten. Sicher war es jedoch für die Mitglieder dieser Organe schwierig, die eigene moralische Integrität zu erhalten. Den wenigen, die im Rahmen ihrer Möglichkeit versucht haben, sich menschlich zu verhalten, gebührt unser Respekt. Sollte man sie dafür als „Stille Helden“ oder „Stille Heldinnen“ bezeichnen? Das kann man nur für jeden Einzelfall separat diskutieren und entscheiden
Ingo Müller: Furchtbare Juristen. Die unbewältigte Vergangenheit der deutschen Justiz. Berlin 2014.
Bearbeitungsvorschläge
Nehmen Sie Stellung zu der Frage, ob der Richter Avenarius als Stiller Held bezeichnet werden sollte. Nutzen Sie für Ihre Entscheidung auch den Brief des Polizeipräsidenten aus Stettin (Abbildung).