Anna Beddies
Aktiv an folgenden Orten:
Eine Kommunistin zeigte Solidarität
Einige Arbeiterinnen und Arbeiter blieben auch nach Hitlers Aufstieg zur Macht ihren sozialistischen Traditionen und Werten treu und waren somit eine permanente Gefahr für das Regime. Eine davon war Anna Beddies, die hier als Stille Heldin aufgeführt wird, nicht nur, weil sie immer eine aufrechte und couragierte Person gewesen ist, sondern vor allem, weil sie sich gegenüber Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern menschlich verhalten hat.
Undatiertes Foto von Anna Beddies
Während der Weimarer Republik waren Teile der Arbeiterschaft fest in sozialistischen und kommunistischen Milieustrukturen verwurzelt. Sie bewegten sich unter ihresgleichen, waren in ihren eigenen Sport- und Kulturvereinen organisiert und pflegten eine proletarische Kultur und ein stolzes Klassenbewusstsein. Diese Teile der Arbeiterschaft hegten gegen den Nationalsozialismus noch 1933 große Vorbehalte. Und obwohl der Widerstand gegen die Diktatur aus diesen Kreisen von den Nationalsozialisten massiv und erfolgreich bekämpft wurde und die NSDAP bemüht war, sich als Arbeiterpartei auszugeben, blieben einige Personen – wie Anna Beddies – bis zuletzt aufrecht und menschlich.
Während der Weimarer Republik waren Teile der Arbeiterschaft fest in sozialistischen und kommunistischen Milieustrukturen verwurzelt. Sie bewegten sich unter ihresgleichen, waren in ihren eigenen Sport- und Kulturvereinen organisiert und pflegten eine proletarische Kultur und ein stolzes Klassenbewusstsein. Diese Teile der Arbeiterschaft hegten gegen den Nationalsozialismus noch 1933 große Vorbehalte. Und obwohl der Widerstand gegen die Diktatur aus diesen Kreisen von den Nationalsozialisten massiv und erfolgreich bekämpft wurde und die NSDAP bemüht war, sich als Arbeiterpartei auszugeben, blieben einige Personen – wie Anna Beddies – bis zuletzt aufrecht und menschlich.
Vor 1933
Anna Beddies wurde im Januar 1891 in Braunschweig als älteste von sechs Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen geboren. Der Vater war Pferdekutscher. Anna berichtete, dass ihr Vater selten zu Hause bei der Familie sein konnte. Sie selbst wollte Lehrerin werden, aber sie musste die Schule früh verlassen. Nach ihrer Aussage waren dafür nicht finanzielle Gründe ausschlaggebend. Es war vor allem das Vorurteil, dass Mädchen keine höhere Bildung brauchen, weil sie heiraten und Kinder kriegen werden. So heiratete sie denn auch im Alter von 21 Jahren auf Drängen ihrer Mutter. Die Ehe hielt nur einige Jahre, denn Anna verließ ihren Mann 1918, da er ihr politisches Engagement nicht mittragen wollte. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor.
Anna Beddies hatte zunächst – wie für Mädchen üblich – als Dienstmädchen in einem privaten Haushalt gearbeitet, später jedoch als Metallarbeiterin in verschiedenen Konserven- bzw. Blechwarenfabriken. Immer wieder führte ihr politisches Engagement für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne zu Schwierigkeiten und Repressionen. Seit 1909 war sie Gewerkschaftsmitglied. Während des Krieges setzte sie sich für den Frieden ein. Während der Novemberrevolution ging sie als Mitglied der USPD Abend um Abend zu Versammlungen, verteilte Flugblätter und klebte Plakate. In ihrer Firma wurde sie in den Betriebsrat gewählt. 1919 trat sie in die KPD ein. Wie sie selber schrieb: „Ich war nun Partei- und Gewerkschaftsfunktionär.“ Anna Beddies setzte sich als Betriebsrätin für höhere Löhne, besonders auch für die gleichberechtigte Entlohnung der weiblichen Belegschaft ein.
Vor 1933
Anna Beddies wurde im Januar 1891 in Braunschweig als älteste von sechs Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen geboren. Der Vater war Pferdekutscher. Anna berichtete, dass ihr Vater selten zu Hause bei der Familie sein konnte. Sie selbst wollte Lehrerin werden, aber sie musste die Schule früh verlassen. Nach ihrer Aussage waren dafür nicht finanzielle Gründe ausschlaggebend. Es war vor allem das Vorurteil, dass Mädchen keine höhere Bildung brauchen, weil sie heiraten und Kinder kriegen werden. So heiratete sie denn auch im Alter von 21 Jahren auf Drängen ihrer Mutter. Die Ehe hielt nur einige Jahre, denn Anna verließ ihren Mann 1918, da er ihr politisches Engagement nicht mittragen wollte. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor.
Anna Beddies hatte zunächst – wie für Mädchen üblich – als Dienstmädchen in einem privaten Haushalt gearbeitet, später jedoch als Metallarbeiterin in verschiedenen Konserven- bzw. Blechwarenfabriken. Immer wieder führte ihr politisches Engagement für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne zu Schwierigkeiten und Repressionen. Seit 1909 war sie Gewerkschaftsmitglied. Während des Krieges setzte sie sich für den Frieden ein. Während der Novemberrevolution ging sie als Mitglied der USPD Abend um Abend zu Versammlungen, verteilte Flugblätter und klebte Plakate. In ihrer Firma wurde sie in den Betriebsrat gewählt. 1919 trat sie in die KPD ein. Wie sie selber schrieb: „Ich war nun Partei- und Gewerkschaftsfunktionär.“ Anna Beddies setzte sich als Betriebsrätin für höhere Löhne, besonders auch für die gleichberechtigte Entlohnung der weiblichen Belegschaft ein.
Spargelschälerinnen der Konservenfabrik H. L. Krone & Co. um 1900. Stadarchiv Braunschweig.
1933–1945
Mit Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft geriet Anna Beddies ins Visier der Staatsmacht. Schon im Mai 1933 wurde sie aus der Konservenfabrik Schmalbach entlassen. (Sie selbst gab das Datum 1. Mai an, die Fabrik nannte als Entlassungsdatum den 31. März). Sie schlug sich als Erwerbslose durch und arbeitete im politischen Untergrund, druckte und verteilte Flugblätter. Bald darauf wurde sie verhaftet.
Ab 1935 durfte Anna Beddies wieder in der Blechwarenfabrik Bremer und Brückmann arbeiten. In ihrem Lebensbericht beschreibt sie eine Durchsuchung in ihrem Betrieb:
„Meine Aktentasche war voll Material. [Gemeint Flugblätter]. Meine Kollegen nehmen meine Tasche und machten sie leer. Ich konnte dann mit meiner leeren Tasche nach Hause fahren. Vor meiner Haustür haben in der Zeit mehrere Beamte Wache gehalten. Was waren meine Kollegen und auch Kolleginnen froh als ich andren Tags wieder auftauchte. Aber meine Tage im Betrieb waren nun gezählt. Endlich wurden sie mich los.“
Mehrmals kommt Anne Beddies in ihrem späteren Lebensbericht auf die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zu sprechen, die sie zum Beispiel nach ihrer Verhaftung und Verurteilung zur Lagerarbeit kennenlernte:
„Dann wurde ich […] morgens 6 Uhr aus dem Hause abgeholt und verhaftet. Ich hatte noch darum Glück, weil der Polizist, der mich verhaftete, ein SPD-Mann war. Er hat den Fall meiner Person selber in die Hand genommen, aber nicht schnell erledigt, sondern mich möglichst lange dort im Polizeigefängnis zur Vernehmung behalten. […] Ich kam dann in ein Lager. Dort waren russische und polnische Mädel, wo ich das Vierteljahr verbrachte. Wir haben schwer hungern müssen. Es gab dann Bombenangriffe und die polnischen Mädels sind fast alle umgekommen. Die Männer waren für sich, im Männerlager waren Franzosen, Russen, Polen usw. Die kamen etwas glimpflicher davon. Wenn ich heute von Polen höre, denke ich immer an die schönen Menschen, die dort seinerzeit im Lager der Gestapo umgekommen sind. […]
Von ihrem späteren Arbeitsplatz berichtet sie weiter unten:
„Es war eine grauenvolle Zeit. Tag und Nacht keine Ruhe. Arbeiten, schaffen und dazwischen die Bombenangriffe. In unserem Werk hatten wir an einen einzigen Tag 150 Tote. Ich war im Urlaub: Am schlimmsten waren die Fremdarbeiter dran. Sie mussten noch arbeiten, wenn die Bomben schon fielen. Es waren alle junge, hoffnungsvolle Menschen.
Eine Polin erzählte mir, dass ihre Schwester gestorben sei und einen Mann und ein Kind hinterlassen hatte. Sie vertrat nun Mutterstelle an diesem Kind bis die Nazis kamen und sie von der Straße einfingen und sie nach Deutschland transportierten. Wie hat sie um dieses Kind gebangt, was hat sie sich für Sorgen gemacht. Auch sie musste bei dem Angriff ihr Leben lassen. Oft muss ich daran denken, was mag aus dem Kind geworden sein.“
1933–1945
Mit Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft geriet Anna Beddies ins Visier der Staatsmacht. Schon im Mai 1933 wurde sie aus der Konservenfabrik Schmalbach entlassen. (Sie selbst gab das Datum 1. Mai an, die Fabrik nannte als Entlassungsdatum den 31. März). Sie schlug sich als Erwerbslose durch und arbeitete im politischen Untergrund, druckte und verteilte Flugblätter. Bald darauf wurde sie verhaftet.
Ab 1935 durfte Anna Beddies wieder in der Blechwarenfabrik Bremer und Brückmann arbeiten. In ihrem Lebensbericht beschreibt sie eine Durchsuchung in ihrem Betrieb:
„Meine Aktentasche war voll Material. [Gemeint Flugblätter]. Meine Kollegen nehmen meine Tasche und machten sie leer. Ich konnte dann mit meiner leeren Tasche nach Hause fahren. Vor meiner Haustür haben in der Zeit mehrere Beamte Wache gehalten. Was waren meine Kollegen und auch Kolleginnen froh als ich andren Tags wieder auftauchte. Aber meine Tage im Betrieb waren nun gezählt. Endlich wurden sie mich los.“
Mehrmals kommt Anne Beddies in ihrem späteren Lebensbericht auf die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zu sprechen, die sie zum Beispiel nach ihrer Verhaftung und Verurteilung zur Lagerarbeit kennenlernte:
„Dann wurde ich […] morgens 6 Uhr aus dem Hause abgeholt und verhaftet. Ich hatte noch darum Glück, weil der Polizist, der mich verhaftete, ein SPD-Mann war. Er hat den Fall meiner Person selber in die Hand genommen, aber nicht schnell erledigt, sondern mich möglichst lange dort im Polizeigefängnis zur Vernehmung behalten. […] Ich kam dann in ein Lager. Dort waren russische und polnische Mädel, wo ich das Vierteljahr verbrachte. Wir haben schwer hungern müssen. Es gab dann Bombenangriffe und die polnischen Mädels sind fast alle umgekommen. Die Männer waren für sich, im Männerlager waren Franzosen, Russen, Polen usw. Die kamen etwas glimpflicher davon. Wenn ich heute von Polen höre, denke ich immer an die schönen Menschen, die dort seinerzeit im Lager der Gestapo umgekommen sind. […]
Von ihrem späteren Arbeitsplatz berichtet sie weiter unten:
„Es war eine grauenvolle Zeit. Tag und Nacht keine Ruhe. Arbeiten, schaffen und dazwischen die Bombenangriffe. In unserem Werk hatten wir an einen einzigen Tag 150 Tote. Ich war im Urlaub: Am schlimmsten waren die Fremdarbeiter dran. Sie mussten noch arbeiten, wenn die Bomben schon fielen. Es waren alle junge, hoffnungsvolle Menschen.
Eine Polin erzählte mir, dass ihre Schwester gestorben sei und einen Mann und ein Kind hinterlassen hatte. Sie vertrat nun Mutterstelle an diesem Kind bis die Nazis kamen und sie von der Straße einfingen und sie nach Deutschland transportierten. Wie hat sie um dieses Kind gebangt, was hat sie sich für Sorgen gemacht. Auch sie musste bei dem Angriff ihr Leben lassen. Oft muss ich daran denken, was mag aus dem Kind geworden sein.“
»Wenn ich heute von Polen höre, denke ich immer an die schönen Menschen, die dort seinerzeit im Lager der Gestapo umgekommen sind. «
Als sie nach dem Krieg einen Antrag an den Sonderhilfsausschuss für frühere Häftlinge der Konzentrationslager ausfüllte, antwortet sie auf die Frage: „Auf welche Weise wurde der Lebensunterhalt ihrer Familie während ihrer Haft bestritten?“ mit den Worten: „Durch Unterstützung der Arbeitskameraden.“ Den Lebenserinnerungen ist zu entnehmen, dass Anna Beddies tatsächlich viel Solidarität von ihren Kolleginnen und Kollegen erfahren hatte. Sie erhielt von einem Kollegen jeden Tag eine Tasche Holz und wurde mehrmals vor der Gestapo und Spitzeln gewarnt. Man versuchte ihr das Leben zu erleichtern und sammelt sogar Geld für sie. An einer Stelle ihres Lebensberichtes sagt sie: „Ich habe überhaupt viele prächtige und hilfsbereite Menschen kennengelernt.“
Der Zusammenhalt zwischen den deutschen Arbeiterinnen und Arbeitern schien insgesamt groß zu sein. Man half und unterstützte sich, wo immer man konnte. Diese Hilfsbereitschaft erstreckte sich allerdings in der Regel selten auf die „Fremdarbeiter“ und dies obwohl sie in den Braunschweiger Großbetrieben gegen Kriegsende bis zu 50% der Belegschaft ausmachten. Anna Beddies war darin eine Ausnahme:
Als sie nach dem Krieg einen Antrag an den Sonderhilfsausschuss für frühere Häftlinge der Konzentrationslager ausfüllte, antwortet sie auf die Frage: „Auf welche Weise wurde der Lebensunterhalt ihrer Familie während ihrer Haft bestritten?“ mit den Worten: „Durch Unterstützung der Arbeitskameraden.“ Den Lebenserinnerungen ist zu entnehmen, dass Anna Beddies tatsächlich viel Solidarität von ihren Kolleginnen und Kollegen erfahren hatte. Sie erhielt von einem Kollegen jeden Tag eine Tasche Holz und wurde mehrmals vor der Gestapo und Spitzeln gewarnt. Man versuchte ihr das Leben zu erleichtern und sammelt sogar Geld für sie. An einer Stelle ihres Lebensberichtes sagt sie: „Ich habe überhaupt viele prächtige und hilfsbereite Menschen kennengelernt.“
Der Zusammenhalt zwischen den deutschen Arbeiterinnen und Arbeitern schien insgesamt groß zu sein. Man half und unterstützte sich, wo immer man konnte. Diese Hilfsbereitschaft erstreckte sich allerdings in der Regel selten auf die „Fremdarbeiter“ und dies obwohl sie in den Braunschweiger Großbetrieben gegen Kriegsende bis zu 50% der Belegschaft ausmachten. Anna Beddies war darin eine Ausnahme:
»Nur wenige deutsche Arbeiter und Arbeiterinnen hatten während des Krieges das politische Bewußtsein, den Mut und die Menschlichkeit bewahrt, in den ausländischen „Arbeitssklaven“ den Kollegen, die Kollegin zu sehen. So beispielsweise Anna Beddies, nach dem Krieg Betriebsrätin und Landtagsabgeordnete der KPD, die den ausländischen Zwangsarbeiterinnen bei Bremer & Brückmann ärztliche Hilfe vermittelte und Lebensmittel besorgte. (Vögel, Bernhild: Das Entbindungsheim Braunschweig. Boitzheimer Straße 200, S. 135)«
Die Information für die Hilfe, die Anna Beddies den ausländischen Arbeiterinnen zukommen ließ, stammt aus einem Bericht der ehemaligen russischen Zwangsarbeiterin Marusja H. vom 11.06.1986 und 09.02.1984. Die Tonbandaufnahme befand sich im Besitz von Bernhild Vögel, die mit Marusja im Rahmen ihrer Untersuchung zum Entbindungsheim für Ostarbeiterinnen zwei längere Gespräche geführt hat. Aus diesen Gesprächen stammen auch die Informationen über die Lebensbedingungen der Zwangsarbeiterinnen bei Bremer und Brückmann.
Die Frauen bei Bremer & Brückmann
Unter den jungen Frauen und Männern, die im Frühjahr 1942 in einem kleinen sowjetischen Dorf in einem Stall zusammengetrieben wurden, war auch die Junglehrerin Marusja H. In Viehwagen zusammengepfercht wurden die jungen Menschen zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert. Die Qualen des Transports, der Hunger, der Durst waren entsetzlich. Wenn der Zug einmal hielt, gab es als „Verpflegung“ einen Becher mit einem dicklichen, übelschmeckenden Getränk. Die Frauen mussten ihre Notdurft neben den Männern an einem freistehenden Balken verrichten. Dann ging der Transport weiter.
Im Mai 1942 kam Marusja in Braunschweig an. Der Bahnhof glich einem Sklavenmarkt. Marusja wurde zusammen mit weiteren Frauen auf einem Holzwagen zur Blechwarenfabrik Bremer & Brückmann, Juliusstr. 1, gebracht.
Ein kleines zweigeschossiges Gebäude auf dem Firmengelände war für die nächsten drei Jahre ihr „Zuhause“. Im Schlafraum waren 80 bis 100 Frauen untergebracht. Zwischen den Stockbetten standen schmale Spinde, in denen die Frauen ihre wenigen Habseligkeiten verstauten, mehr Platz gab es nicht. Das Gebäude war umzäunt, Ausgang meist nur sonntags für ein, zwei Stunden möglich. Der Pförtner legte für jede Frau willkürlich fest, wann sie wieder im Lager sein musste. Wer zu spät kam, wurde geschlagen.
Schläge setzte es auch, wenn die Frauen bei der Arbeit miteinander sprachen oder wenn sie etwas falsch machten. Der Einrichter schlug, die Lagerführerin schlug, der Meister schlug. Die Arbeit war körperlich schwer, das Essen völlig unzureichend und oft bereits verdorben. Die russischen Frauen bekamen Brot, das aus geriebenen Rüben bestand. Der Hunger zehrte die Körper der Frauen aus; die 19-jährige Marusja wog bald nur noch 35 Kilogramm.
In einem anderen Teil des Lagers waren Polinnen untergebracht. Sie wurden etwas besser ernährt, durften an den Gummiermaschinen arbeiten und hatten etwas mehr Ausgang. Immer wieder kam es zwischen den polnischen und den russischen Zwangsarbeiterinnen zu Auseinandersetzungen. Nach Marusjas Erinnerung befanden sich bis Juni 1944 etwa 100 Russinnen und Ukrainerinnen, 100 Polinnen und 15 bis 20 Franzosen und Belgier in Lagern auf dem Firmengelände. Diese Angaben werden durch mehrere schriftliche Quellen bestätigt.
Viele der Frauen wurden schwanger. Polinnen, so erzählt Marusja, konnten kurz vor der Entbindung nach Hause fahren und kamen anschließend wieder in den Betrieb. Dies dürfte aber nur bis Anfang 1943 möglich gewesen sein, denn danach gab es auch für schwangere Polinnen keine Rückkehrmöglichkeit. Ein Fall aus dem Jahre 1943 findet sich in den Unterlagen des Standesamtes Braunschweig: Die ledige Haushaltsgehilfin Agnieszka O. entband im Januar 1943 in Braunschweig. Sie brachte ihr Kind zu Verwandten nach Zabrze/Polen, die es ab der sechsten Lebenswoche in Pflege nahmen. Agnieszka O. kam während des Krieges ums Leben.
Da das Lager von Bremer & Brückmann bereits im August 1941 mit 139 Polinnen belegt war, dürften die meisten polnischen Frauen 1942 oder Anfang 1943 schwanger geworden sein. Im „Entbindungsheim“ kamen lediglich vier Kinder von Polinnen aus dem Lager Bremer & Brückmann zur Welt – dies im Zeitraum von Dezember 1943 bis August 1944.
Die Zahl der Schwangerschaften bei den russischen und ukrainischen Zwangsarbeiterinnen im Lager schätzte Marusja auf ca. 20; dies würde bedeuten, daß jede fünfte Frau schwanger wurde.
(Bernhild Vögel: Das Entbindungsheim Braunschweig. Boitzheimer Straße 200, S. 18f.)
Die Information für die Hilfe, die Anna Beddies den ausländischen Arbeiterinnen zukommen ließ, stammt aus einem Bericht der ehemaligen russischen Zwangsarbeiterin Marusja H. vom 11.06.1986 und 09.02.1984. Die Tonbandaufnahme befand sich im Besitz von Bernhild Vögel, die mit Marusja im Rahmen ihrer Untersuchung zum Entbindungsheim für Ostarbeiterinnen zwei längere Gespräche geführt hat. Aus diesen Gesprächen stammen auch die Informationen über die Lebensbedingungen der Zwangsarbeiterinnen bei Bremer und Brückmann.
Die Frauen bei Bremer & Brückmann
Unter den jungen Frauen und Männern, die im Frühjahr 1942 in einem kleinen sowjetischen Dorf in einem Stall zusammengetrieben wurden, war auch die Junglehrerin Marusja H. In Viehwagen zusammengepfercht wurden die jungen Menschen zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert. Die Qualen des Transports, der Hunger, der Durst waren entsetzlich. Wenn der Zug einmal hielt, gab es als „Verpflegung“ einen Becher mit einem dicklichen, übelschmeckenden Getränk. Die Frauen mussten ihre Notdurft neben den Männern an einem freistehenden Balken verrichten. Dann ging der Transport weiter.
Im Mai 1942 kam Marusja in Braunschweig an. Der Bahnhof glich einem Sklavenmarkt. Marusja wurde zusammen mit weiteren Frauen auf einem Holzwagen zur Blechwarenfabrik Bremer & Brückmann, Juliusstr. 1, gebracht.
Ein kleines zweigeschossiges Gebäude auf dem Firmengelände war für die nächsten drei Jahre ihr „Zuhause“. Im Schlafraum waren 80 bis 100 Frauen untergebracht. Zwischen den Stockbetten standen schmale Spinde, in denen die Frauen ihre wenigen Habseligkeiten verstauten, mehr Platz gab es nicht. Das Gebäude war umzäunt, Ausgang meist nur sonntags für ein, zwei Stunden möglich. Der Pförtner legte für jede Frau willkürlich fest, wann sie wieder im Lager sein musste. Wer zu spät kam, wurde geschlagen.
Schläge setzte es auch, wenn die Frauen bei der Arbeit miteinander sprachen oder wenn sie etwas falsch machten. Der Einrichter schlug, die Lagerführerin schlug, der Meister schlug. Die Arbeit war körperlich schwer, das Essen völlig unzureichend und oft bereits verdorben. Die russischen Frauen bekamen Brot, das aus geriebenen Rüben bestand. Der Hunger zehrte die Körper der Frauen aus; die 19-jährige Marusja wog bald nur noch 35 Kilogramm.
In einem anderen Teil des Lagers waren Polinnen untergebracht. Sie wurden etwas besser ernährt, durften an den Gummiermaschinen arbeiten und hatten etwas mehr Ausgang. Immer wieder kam es zwischen den polnischen und den russischen Zwangsarbeiterinnen zu Auseinandersetzungen. Nach Marusjas Erinnerung befanden sich bis Juni 1944 etwa 100 Russinnen und Ukrainerinnen, 100 Polinnen und 15 bis 20 Franzosen und Belgier in Lagern auf dem Firmengelände. Diese Angaben werden durch mehrere schriftliche Quellen bestätigt.
Viele der Frauen wurden schwanger. Polinnen, so erzählt Marusja, konnten kurz vor der Entbindung nach Hause fahren und kamen anschließend wieder in den Betrieb. Dies dürfte aber nur bis Anfang 1943 möglich gewesen sein, denn danach gab es auch für schwangere Polinnen keine Rückkehrmöglichkeit. Ein Fall aus dem Jahre 1943 findet sich in den Unterlagen des Standesamtes Braunschweig: Die ledige Haushaltsgehilfin Agnieszka O. entband im Januar 1943 in Braunschweig. Sie brachte ihr Kind zu Verwandten nach Zabrze/Polen, die es ab der sechsten Lebenswoche in Pflege nahmen. Agnieszka O. kam während des Krieges ums Leben.
Da das Lager von Bremer & Brückmann bereits im August 1941 mit 139 Polinnen belegt war, dürften die meisten polnischen Frauen 1942 oder Anfang 1943 schwanger geworden sein. Im „Entbindungsheim“ kamen lediglich vier Kinder von Polinnen aus dem Lager Bremer & Brückmann zur Welt – dies im Zeitraum von Dezember 1943 bis August 1944.
Die Zahl der Schwangerschaften bei den russischen und ukrainischen Zwangsarbeiterinnen im Lager schätzte Marusja auf ca. 20; dies würde bedeuten, daß jede fünfte Frau schwanger wurde.
(Bernhild Vögel: Das Entbindungsheim Braunschweig. Boitzheimer Straße 200, S. 18f.)
Nach 1945
Nach dem Ende des Krieges wurde Anna Beddies als Verfolgte des Nazi-Regimes anerkannt und blieb politisch aktiv. Sie war Mitglied des Ernannten Braunschweigischen Landtages vom 21. Februar 1946 bis zum 21. November 1946. In dieses Amt berief sie die britische Militärregierung, weil sie als Widerstandskämpferin galt. Beddies kämpfte ein Leben lang weiter für die Sache der Frauen und für Frieden und nahm am 14.10.1951 am Frauenfriedenskongress teil. In zahlreichen Dokumenten dieser Zeit (Beschlüsse, Manifeste, Protokolle von Sitzungen) schlug sich ihr politischer Gestaltungswille nieder. Sie blieb auch im Kalten Krieg bekennende Kommunistin und Mitglied der KPD, später DKP, kämpfte gegen die Notstandsgesetze und die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik. Sie starb im Alter von 85 Jahren in Braunschweig.
Ihre Lebenserinnerungen schließt sie mit den Worten, die als das Vermächtnis ihrer Generation gelten kann:
Nach 1945
Nach dem Ende des Krieges wurde Anna Beddies als Verfolgte des Nazi-Regimes anerkannt und blieb politisch aktiv. Sie war Mitglied des Ernannten Braunschweigischen Landtages vom 21. Februar 1946 bis zum 21. November 1946. In dieses Amt berief sie die britische Militärregierung, weil sie als Widerstandskämpferin galt. Beddies kämpfte ein Leben lang weiter für die Sache der Frauen und für Frieden und nahm am 14.10.1951 am Frauenfriedenskongress teil. In zahlreichen Dokumenten dieser Zeit (Beschlüsse, Manifeste, Protokolle von Sitzungen) schlug sich ihr politischer Gestaltungswille nieder. Sie blieb auch im Kalten Krieg bekennende Kommunistin und Mitglied der KPD, später DKP, kämpfte gegen die Notstandsgesetze und die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik. Sie starb im Alter von 85 Jahren in Braunschweig.
Ihre Lebenserinnerungen schließt sie mit den Worten, die als das Vermächtnis ihrer Generation gelten kann:
»Wir haben doch viel Schuld auf uns geladen. Unsere ganze Kraft müssen wir einsetzen, um einen neuen Krieg zu verhindern. Nie darf sich solch ein Grauen wiederholen. «
Quellen
Anna Beddies. Eine Braunschweiger Kommunistin, Broschüre der Deutschen Kommunistischen Partei, Region Braunschweig o.D.
Bernhild Vögel: Das Entbindungsheim Braunschweig. Boitzheimer Straße 200, PDF-Ausgabe 2005
Literaturempfehlungen
Detlef Schmiechen-Ackermann: Nationalsozialismus und Arbeitermilieus. 1998
Bearbeitungsvorschläge
Arbeiten Sie aus der Erzählung zu Anna Beddies Lebenslauf ein Persönlichkeitsprofil dieser Person heraus.
Erörtern Sie, ob und warum sie als „Stille Heldin“ gelten könnte.