Stille Heldinnen – Stille Helden
ORTE DER HELFENDEN

1933-1945

Niedersachsen und Bremen

Aaltien Bennink

Aktiv an folgenden Orten:

Fluchthilfe für jüdische Freunde

Der Ort Emlichheim im Landkreis Grafschaft Bentheim ist nur knapp 10 Kilometer von der niederländischen Grenze entfernt. Die Beziehungen zum Städtchen Coevorden sind darum immer eng gewesen. Einige Bewohner des Ortes nutzten während der Zeit der NS-Diktatur diese Kontakte, um bedrängten und zunehmend verfolgten jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zur Flucht zu verhelfen. Auch wenn diese Flucht nicht immer zur Rettung der Betroffenen geführt hat, verdient sie als mutiger Akt der Solidarität unter Nachbarn hier aufgenommen zu werden.

Aaltien Bennink in den 1960er-Jahren

Die Zeit bis 1933

1933 lebten in Emlichheim zwei jüdische Familien, die Familie ten Brink und die Familie Weinberg. Beide Familien waren im Textilhandel tätig und seit 1922 durch die Ehe von Rolina ten Brink und Bernhard Weinberg untereinander verschwägert.

Aaltien Bennink, geborene Heerspink, heiratete – ebenfalls 1922 – den Landwirt Hindrik Bennink und zog in das Elternhaus ihres Mannes an der Ringer Straße in Emlichheim ein. Die beiden jungen Frauen waren Nachbarinnen, da gegenüber dem Bauernhaus des Ehepaars Bennink das Textilgeschäft lag, in dem Rolina arbeitete, während ihr Mann mit dem Fahrrad über Land fuhr und die Textilwaren verkaufte. Das Leben in Emlichheim war von gegenseitigem Respekt geprägt und die jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner konnten ungehindert ihren Glauben praktizieren. Dies sollte sich bald ändern.

 

Die Zeit bis 1933

1933 lebten in Emlichheim zwei jüdische Familien, die Familie ten Brink und die Familie Weinberg. Beide Familien waren im Textilhandel tätig und seit 1922 durch die Ehe von Rolina ten Brink und Bernhard Weinberg untereinander verschwägert.

Aaltien Bennink, geborene Heerspink, heiratete – ebenfalls 1922 – den Landwirt Hindrik Bennink und zog in das Elternhaus ihres Mannes an der Ringer Straße in Emlichheim ein. Die beiden jungen Frauen waren Nachbarinnen, da gegenüber dem Bauernhaus des Ehepaars Bennink das Textilgeschäft lag, in dem Rolina arbeitete, während ihr Mann mit dem Fahrrad über Land fuhr und die Textilwaren verkaufte. Das Leben in Emlichheim war von gegenseitigem Respekt geprägt und die jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner konnten ungehindert ihren Glauben praktizieren. Dies sollte sich bald ändern.

 

Kaufmann Bernhard Weinberg, Emlichheit (ohne Datum)

1933–1945

In der sogenannten „Reichspogromnacht“ vom 9. auf den 10. November zerschlugen auch in Emlichheim einheimische und auswärtige SA-Leute die Fenster der Häuser der jüdischen Familien und demolierten die Ladeneinrichtung. Über die Ereignisse im Haus ten Brink heißt es im Buch „Emlichheim und Umgebung im 3. Reich“: „Die völlig überraschten Hausbewohner saßen verschreckt in einem Hinterzimmer des Hauses. Ihr Hund, der die SA-Leute anbellte, wurde kurzerhand erschlagen. […] Am nächsten Tag setzte ein Nachbar, der Maler und Glaser van der Zwaan, die Scheiben zum Selbstkostenpreis wieder ein. Die Nachbarn Assen und Borghorst bezahlten sie. Als ein örtlicher SA-Mann drohte, sie nochmals zu zerschlagen, wies Borghorst darauf hin, dass ihm die Scheiben gehörten. Wer sie zerstöre, bekäme es mit dem Gericht zu tun. Wegen dieser Äußerungen wurde er am nächsten Morgen abgeführt und verhört, aber gegen Abend wieder nach Hause entlassen.“

Louis ten Brink und sein Schwager Bernhard Weinberg wurden – vermutlich noch am gleichen Tag – festgenommen und mit anderen Jüdinnen und Juden aus der Grafschaft Bentheim in das KZ Sachsenhausen deportiert. Sie kehrten ein paar Tage später jedoch wieder nach Emlichheit zurück. Louis soll versucht haben, mit seiner Schwester in Coevorden unterzukommen. Es heißt, dass sie von den dortigen Behörden über die Grenze zurückgeschickt wurden.

Über das weitere Schicksal von Louis steht wieder im Buch „Emlichheim und Umgebung im 3. Reich“: „Am 3. Januar 1939 kam Louis von einem Meldegang nach Neuenhaus nicht mehr nach Hause zurück. Seinen Leichnam fand man am 18. März in der Vechte bei Gölenkamp. […] Nach der Totenfeier im Hause begleiteten nur ein Rabbi und vermutlich seine Schwester Mathilde den Sarg auf dem Weg zum jüdischen Friedhof in Neuenhaus. […] Niemand fand den Mut […] Louis ten Brink das letzte Geleit zu geben.

 

1933–1945

In der sogenannten „Reichspogromnacht“ vom 9. auf den 10. November zerschlugen auch in Emlichheim einheimische und auswärtige SA-Leute die Fenster der Häuser der jüdischen Familien und demolierten die Ladeneinrichtung. Über die Ereignisse im Haus ten Brink heißt es im Buch „Emlichheim und Umgebung im 3. Reich“: „Die völlig überraschten Hausbewohner saßen verschreckt in einem Hinterzimmer des Hauses. Ihr Hund, der die SA-Leute anbellte, wurde kurzerhand erschlagen. […] Am nächsten Tag setzte ein Nachbar, der Maler und Glaser van der Zwaan, die Scheiben zum Selbstkostenpreis wieder ein. Die Nachbarn Assen und Borghorst bezahlten sie. Als ein örtlicher SA-Mann drohte, sie nochmals zu zerschlagen, wies Borghorst darauf hin, dass ihm die Scheiben gehörten. Wer sie zerstöre, bekäme es mit dem Gericht zu tun. Wegen dieser Äußerungen wurde er am nächsten Morgen abgeführt und verhört, aber gegen Abend wieder nach Hause entlassen.“

Louis ten Brink und sein Schwager Bernhard Weinberg wurden – vermutlich noch am gleichen Tag – festgenommen und mit anderen Jüdinnen und Juden aus der Grafschaft Bentheim in das KZ Sachsenhausen deportiert. Sie kehrten ein paar Tage später jedoch wieder nach Emlichheit zurück. Louis soll versucht haben, mit seiner Schwester in Coevorden unterzukommen. Es heißt, dass sie von den dortigen Behörden über die Grenze zurückgeschickt wurden.

Über das weitere Schicksal von Louis steht wieder im Buch „Emlichheim und Umgebung im 3. Reich“: „Am 3. Januar 1939 kam Louis von einem Meldegang nach Neuenhaus nicht mehr nach Hause zurück. Seinen Leichnam fand man am 18. März in der Vechte bei Gölenkamp. […] Nach der Totenfeier im Hause begleiteten nur ein Rabbi und vermutlich seine Schwester Mathilde den Sarg auf dem Weg zum jüdischen Friedhof in Neuenhaus. […] Niemand fand den Mut […] Louis ten Brink das letzte Geleit zu geben.

 

Albert Diekmann aus Laar (Aufnahme um 1935)

Die Schwester Mathilde ten Brink blieb allein zurück, in einem teilweise demolierten Haus ohne eigenes Einkommen. Wenige Wochen später half ihr Albert Diekmann aus dem benachbarten Ort Laar mit seinem Motorrad, nach Holland zu fliehen. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt.“

Ähnlich erging es in der Nacht des organisierten Pogroms dem Ehepaar Weinberg. In den Morgenstunden des 10. November 1938 zerschlugen SA-Männer fast alle Fensterscheiben des Textilgeschäfts, plünderten den Warenbestand und brachten ihn in das nahe gelegene Hitlerjugendheim am Buurhook. Als die Lage der jüdischen Familie immer bedrohlicher wurde und ein erster Fluchtversuch bereits gescheitert war, vertrauten sie sich ihrer Nachbarin Aaltien Bennink an. Diese setzte sich mit dem gemeinsamen Nachbarn Wilhelm van Eyk in Verbindung.

Am 12. Mai 1939 fuhr van Eyk mit seinem Geschäftswagen das Ehepaar Weinberg und Frau Bennink in die acht Kilometer entfernte Bauernschaft Heesterkante. Zu Fuß ging es dann durch die Nacht in den Ortsteil Laar-Feld zum Hof Sleefenboom. Frau Bennink weckte ihre Bekannte, Frau Gertruida Sleefenboom, die mit den Schleichwegen in der dortigen Grenznähe bestens vertraut war. Mit ihrer Hilfe geleitete Aaltien Bennink ihre jüdischen Nachbarn Weinberg über die „Grüne Grenze“ nach „Rooke“, dem holländischen Radewijk. Jenseits der Grenze warteten bereits Bekannte von Weinberg in einem abgedunkelten Wagen auf die Flüchtlinge. Ein kurzer Händedruck – und der Wagen verschwand im Dunkel der Nacht.

Alles verlief nach Plan. Aaltien Bennink fand am vorher vereinbarten Treffpunkt ihren Nachbarn van Eyk wieder und beide kamen wohlbehalten nach Emlichheim zurück. Wenn man sie entdeckt hätte, wären beide möglicherweise mit den Eheleuten Weinberg in ein KZ eingeliefert worden.

Die Familie Weinberg erreichte nach der Flucht Verwandte in Amsterdam und fuhr weiter nach Brüssel. Von dort schrieben sie an Aaltien Bennink, dass sie im April 1940 in die USA auszureisen planten. Leider gelang dies offenbar nicht. Der Brief blieb ihr letztes Lebenszeichen. Vermutlich wurden sie nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Belgien im Mai 1940 verhaftet und später ermordet. Ihr Besitz in Emlichheim wurde beschlagnahmt und weiterverkauft.

Die Schwester Mathilde ten Brink blieb allein zurück, in einem teilweise demolierten Haus ohne eigenes Einkommen. Wenige Wochen später half ihr Albert Diekmann aus dem benachbarten Ort Laar mit seinem Motorrad, nach Holland zu fliehen. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt.“

Ähnlich erging es in der Nacht des organisierten Pogroms dem Ehepaar Weinberg. In den Morgenstunden des 10. November 1938 zerschlugen SA-Männer fast alle Fensterscheiben des Textilgeschäfts, plünderten den Warenbestand und brachten ihn in das nahe gelegene Hitlerjugendheim am Buurhook. Als die Lage der jüdischen Familie immer bedrohlicher wurde und ein erster Fluchtversuch bereits gescheitert war, vertrauten sie sich ihrer Nachbarin Aaltien Bennink an. Diese setzte sich mit dem gemeinsamen Nachbarn Wilhelm van Eyk in Verbindung.

Am 12. Mai 1939 fuhr van Eyk mit seinem Geschäftswagen das Ehepaar Weinberg und Frau Bennink in die acht Kilometer entfernte Bauernschaft Heesterkante. Zu Fuß ging es dann durch die Nacht in den Ortsteil Laar-Feld zum Hof Sleefenboom. Frau Bennink weckte ihre Bekannte, Frau Gertruida Sleefenboom, die mit den Schleichwegen in der dortigen Grenznähe bestens vertraut war. Mit ihrer Hilfe geleitete Aaltien Bennink ihre jüdischen Nachbarn Weinberg über die „Grüne Grenze“ nach „Rooke“, dem holländischen Radewijk. Jenseits der Grenze warteten bereits Bekannte von Weinberg in einem abgedunkelten Wagen auf die Flüchtlinge. Ein kurzer Händedruck – und der Wagen verschwand im Dunkel der Nacht.

Alles verlief nach Plan. Aaltien Bennink fand am vorher vereinbarten Treffpunkt ihren Nachbarn van Eyk wieder und beide kamen wohlbehalten nach Emlichheim zurück. Wenn man sie entdeckt hätte, wären beide möglicherweise mit den Eheleuten Weinberg in ein KZ eingeliefert worden.

Die Familie Weinberg erreichte nach der Flucht Verwandte in Amsterdam und fuhr weiter nach Brüssel. Von dort schrieben sie an Aaltien Bennink, dass sie im April 1940 in die USA auszureisen planten. Leider gelang dies offenbar nicht. Der Brief blieb ihr letztes Lebenszeichen. Vermutlich wurden sie nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Belgien im Mai 1940 verhaftet und später ermordet. Ihr Besitz in Emlichheim wurde beschlagnahmt und weiterverkauft.

Wohn- und Geschäftshaus der Eheleute Weinberg (Aufnahme aus der Nachkriegszeit)

Die Zeit nach 1945

Aaltien Bennink war Zeit ihres Lebens in Emlichheim bekannt als eine sehr mutige, besondere, aber auch sonderbare Frau. Sie schien nicht ängstlich zu sein und fuhr noch im höheren Alter im Winter Schlittschuh auf dem Coevorden-Piccardie-Kanal.

Die Kontakte aus der Zeit der Verfolgung bescherten Aaltien Bennink nach dem Krieg eine Reise nach Israel. Von 1933 bis 1936 war ein Neffe der Weinbergs, der im Jahr 1919 geborene und später in Israel lebende Joost Joosten, als Lehrling im Hause der Weinbergs tätig. Er verbrachte die langen Winterabende oft bei der Familie Bennink. Angesichts der Diskriminierungen in Deutschland zog Joosten nach seiner Ausbildung nach Utrecht in den Niederlanden. Die Kriegsjahre überlebte er dort in einem sicheren Versteck. 1952 wanderte er nach Israel aus. Ab 1956 bestand wieder Briefkontakt zwischen Joosten und der Familie Bennink. Als Dank für ihre Hilfe lud er Aaltien Bennink zu einem Besuch nach Israel ein.

Am 6. März 1966 flog die damals 68-jährige Aaltien Bennink für drei Wochen in den noch jungen Staat im Nahen Osten. Die Reise erlebte sie als große Bereicherung. Ein paar Monate später erlag Aaltien Bennink, 69-jährig, einem Krebsleiden.

 

Nachleben und Ehrungen

Die Ereignisse in Emlichheim schlugen sich in den letzten Jahren in der Benennung der Straßennamen des Ortes nieder. Auf Initiative der Heimatfreunde Emlichheim und Umgebung wurde im Oktober 2011 im Wohngebiet „Wetten Kämpe“ eine Straße nach ihr benannt, wie auch in Erinnerung an die jüdischen Familien des Ortes eine Weinbergstraße existiert und 2019 Stolpersteine verlegt wurden.

Die Zeit nach 1945

Aaltien Bennink war Zeit ihres Lebens in Emlichheim bekannt als eine sehr mutige, besondere, aber auch sonderbare Frau. Sie schien nicht ängstlich zu sein und fuhr noch im höheren Alter im Winter Schlittschuh auf dem Coevorden-Piccardie-Kanal.

Die Kontakte aus der Zeit der Verfolgung bescherten Aaltien Bennink nach dem Krieg eine Reise nach Israel. Von 1933 bis 1936 war ein Neffe der Weinbergs, der im Jahr 1919 geborene und später in Israel lebende Joost Joosten, als Lehrling im Hause der Weinbergs tätig. Er verbrachte die langen Winterabende oft bei der Familie Bennink. Angesichts der Diskriminierungen in Deutschland zog Joosten nach seiner Ausbildung nach Utrecht in den Niederlanden. Die Kriegsjahre überlebte er dort in einem sicheren Versteck. 1952 wanderte er nach Israel aus. Ab 1956 bestand wieder Briefkontakt zwischen Joosten und der Familie Bennink. Als Dank für ihre Hilfe lud er Aaltien Bennink zu einem Besuch nach Israel ein.

Am 6. März 1966 flog die damals 68-jährige Aaltien Bennink für drei Wochen in den noch jungen Staat im Nahen Osten. Die Reise erlebte sie als große Bereicherung. Ein paar Monate später erlag Aaltien Bennink, 69-jährig, einem Krebsleiden.

 

Nachleben und Ehrungen

Die Ereignisse in Emlichheim schlugen sich in den letzten Jahren in der Benennung der Straßennamen des Ortes nieder. Auf Initiative der Heimatfreunde Emlichheim und Umgebung wurde im Oktober 2011 im Wohngebiet „Wetten Kämpe“ eine Straße nach ihr benannt, wie auch in Erinnerung an die jüdischen Familien des Ortes eine Weinbergstraße existiert und 2019 Stolpersteine verlegt wurden.

Stolpersteine für das Ehepaar Weinberg in Emlichheim

Quellen

Die Darstellung der Ereignisse basiert auf Veröffentlichungen der Heimatfreunde von Emlichheim und Umgebung. Wir danken Herrn Albert Rötterink vom Verein der Heimatfreunde Emlichheim und Umgebung dafür, dass er die Geschichte von Aaltien Bennink für die Datenbank eingereicht hat.

Bearbeitungsvorschläge

Beschreiben Sie, wie Aaltien Bennink und andere Einwohner von Emlichheim verfolgten Jüdinnen und Juden während der Zeit des Nationalsozialismus halfen.

alle Biografien
×