Stille Heldinnen – Stille Helden
ORTE DER HELFENDEN

1933-1945

Niedersachsen und Bremen

„Stille Heldinnen und Stille Helden auf dem Gebiet des heutigen Niedersachsen und Bremen“: Ein Kooperationsprojekt zum Mitmachen

Ein Kooperationsprojekt zum Mitmachen

Sicherlich ist es verfehlt, die Verbrechen der NS-Zeit ausschließlich einer kleinen Gruppe rund um Hitler, Göring und Himmler anzulasten. Ohne die Zustimmung großer Teile der Bevölkerung wären diese Taten nicht möglich gewesen. Genauso verfehlt scheint es aber zu sein, ihre Ablehnung ausschließlich im aktiven Widerstand zu suchen. Haben sich nicht auch diejenigen Menschen, die während der nationalsozialistischen Diktatur jüdischen und nicht-jüdischen Verfolgten geholfen und sich nicht an den deutschen Gemeinschaftsverbrechen beteiligt haben, gegen das Regime aufgelehnt? Wer waren diese Personen? Warum haben sie geholfen? Waren sie Heldinnen und Helden? Lange ist es um sie still gewesen.

Jeder von uns stellt sich bei der Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus die Frage: „Wie hätte ich mich damals verhalten?“ Die Lebensgeschichten der Stillen Heldinnen und Stillen Helden, dieser ansonsten ganz gewöhnlichen Menschen, geben Anlass zu verhaltenem Optimismus. Auch in der grausamsten Diktatur gab es offenbar Wege und Möglichkeiten, seinen menschlichen Anstand zu bewahren, ohne gleich tollkühn in den Tod zu stürzen.

Das Projekt „Stille Heldinnen und Stille Helden auf dem Gebiet des heutigen Niedersachsen und Bremen“ möchte darum die Erinnerung an diejenigen Personen wachhalten, die in den Jahren des nationalsozialistischen Terrors jüdischen und nicht-jüdischen Verfolgten geholfen haben und dafür häufig erhebliche Risiken für sich und ihre Familien eingegangen sind. Die meisten von ihnen agierten im bescheidenen Einflussbereich ihres täglichen Lebens, boten Lebensmittel und Verstecke an oder halfen bei der Flucht. Sie hätten sich selber wahrscheinlich nicht als Helden bezeichnet.

Die Bezeichnung Stille Heldinnen und Stille Helden ist in der Forschung umstritten. Sie ist kaum eindeutig zu umgrenzen: Welche Form und welcher Grad der Hilfeleistung, welche Motivationslage und welche begleitenden Umstände definieren die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe? Hier gilt es, ohne voreiliges Moralisieren den Zweifeln, Rückschlägen und Ängsten dieser Menschen nachzuspüren, die sich in einem repressiven Umfeld vielleicht nur einmal mutig verhalten haben, weil sie entschieden haben, ein Risiko einzugehen, um einen bedrohten Mitmenschen zu retten. Gerade aus der fehlenden Eindeutigkeit ihres „Stillen Heldentums“ lässt sich für die Zukunft viel lernen.

Das Projekt ist als Kooperationsprojekt zum Mitmachen konzipiert: Interessierte Laien, Schülerinnen und Schüler, Studierende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind herzlich eingeladen, gemeinsam die historischen Informationen, die bisweilen lediglich in Familiendokumenten und lokalen Archiven aufbewahrt sind, für eine breitere Öffentlichkeit auf dieser Website zugänglich zu machen. Die Website möchte vor allem ein Bildungsangebot für Schulen sein und historische Projektarbeit anregen. Schülerinnen und Schüler können mit Unterstützung ihrer Lehrkräfte Informationen zu „Stillen Heldinnen“ und „Stillen Helden“ an ihren Wohnorten recherchieren und auf der interaktiven Karte veröffentlichen lassen. Wir hoffen darüber hinaus, dass durch dieses Projekt neue Forschungsarbeiten angeregt werden.

Ursula und Theo Zobel retten Ursula Kaliwe vor der Euthanasie (o.D.) © „Euthanasie“-Gedenkstätte Lüneburg (Privatbesitz Ursula Becker)

Didaktisches Potenzial des Themas für die politische Bildung

Die Rettung und das Überleben von Verfolgten des NS-Regimes wird in den niedersächsischen Lehrplänen nicht als eigenständiges Thema ausgewiesen. Das ist angesichts seiner Randstellung in der Forschung und in der kollektiven Erinnerung nicht überraschend. Gleichzeitig wird gelegentlich die Befürchtung geäußert, dass die Beschäftigung mit Rettungsgeschichten die in der jungen Generation ohnehin stark ausgeprägte Tendenz, Personen aus dem eigenen Umfeld zu exkulpieren und zu heroisieren, verstärken könnte.

Gerade jedoch die Tatsache, dass gelegentlich an die innerfamiliär oder lokal überlieferte Geschichte angeknüpft werden kann, sollte als Chance gesehen werden, denn sie kann zusätzliche Motivation erzeugen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Konkrete Fallbeispiele real geleisteter Hilfe können die Schülerinnen und Schüler dazu anregen, die Familienüberlieferung kritisch zu hinterfragen und ein emotional geprägtes Vergangenheitsbild zu überdenken. Im nationalsozialistischen Alltagsleben, das in den Rettungsgeschichten sichtbar wird, treten aus der Dunkelheit eines Grauens, das schier unüberwindbar erscheint, Individuen ans Licht, die nicht moralisch makellos sind, aber in Zwiespalt geraten, Handlungsspielräume nutzen und immer wieder mutige Entscheidungen treffen. Ihre Geschichten können die kritische Selbstreflexion schulen und dienen der Werteorientierung im Sinne der Demokratieerziehung. Couragierte Heldinnen und Helden können also Vorbilder sein und dazu anregen, auch in der eigenen Lebenswelt im Sinne der Menschenrechte Solidarität und Zivilcourage zu zeigen.

Die Beschäftigung mit Einzelschicksalen erleichtert jungen Menschen den Zugang zu einer schwierigen Vergangenheit, ermöglicht Empathie und schult das moralische Urteilsvermögen. Das Thema „Stille Heldinnen und Stille Helden“ eignet sich darum besonders für den Geschichtsunterricht sowie für die Fächer Politik, Gesellschaftslehre, Religion sowie Werte und Normen.

Die Chronik „Mein Erbe?“ im Erdgeschoss des ZeitZentrums Zivilcourage in Hannover (o.D.) © LHH

Die Datenbank

Die Website enthält bisher die Namen von potenziellen Stillen Heldinnen und Helden, über die uns bisher eine kurze Nachricht erreicht hat und die weiter recherchiert werden könnten. Vereinzelt wurden Geschichten schon vollständig ausgearbeitet, um mögliche Länge und Format unserer Datensätze deutlich zu machen. Sie sind herzlich eingeladen, die Lebensumstände und Ereignisse rund um die genannten Personen weiter zu recherchieren und einen Beitrag für unsere Datenbank zu liefern. Auch die schon vorhandenen Beiträge können kritisch gelesen und überarbeitet werden. Wir freuen uns besonders über Beiträge und Rückmeldungen von Schülerinnen und Schülern.

Kennen Sie eine weitere „Stille Heldin“ oder einen weiteren „Stillen Helden“ aus Niedersachsen? Oder haben Sie Fragen und Anregungen? Dann schicken Sie uns gern eine Nachricht (stille.helden@nibis.de).

Stolpersteine für das Ehepaar Bloch in Hannover © Christiane Goos (2021). Unsere Datenbank versteht sich als Teil der niedersächsischen Erinnerungskultur.

Handreichung

Weiterführende Informationen zu dem Projekt und diesem Portal können Sie gerne unserer ausführlichen Handreichung entnehmen. Die Handreichung informiert über Inhalt und Ziele sowie über fachwissenschaftliche Diskussionen und fachdidaktische Perspektiven rund um das Thema „Stillen Heldinnen und Helden“. Zudem erläutert sie, wie Schülerinnen und Schüler eigene Beiträge erarbeiten und einreichen können.

FAQ

Einen kompakten Überblick über das Projekt und einen niedrigschwelligen Einstieg in das Thema bieten unsere FAQ. In den FAQ finden Sie alle wesentlichen Informationen über das Thema und das Projekt auf einen Blick.

Danksagung

Das bisher gesammelte Material geht auf die Unterstützung und die Beiträge von zahlreichen Forscherinnen und Forschern, Archivarinnen und Archivaren und Einzelpersonen zurück. Ihnen sei an dieser Stelle herzlicher Dank ausgesprochen.

Mitgestalten

Das Projekt „Stille Heldinnen-Stille Helden“ ist ein Angebot zum aktiven Mitgestalten, Forschen und Dokumentieren und wird fortlaufend ausgebaut. 

Zögern Sie nicht, uns zu schreiben, wenn Sie einen Beitrag leisten möchten: stille.helden@nibis.de.